Sonntag, 12. Mai 2013

Elster

Einmal im Jahr ist der Tag X gekommen. Der Tag, vor dem sich jeder Steuerzahler fürchtet. 

Die Steuererklärung steht an und wäre sie ein kleines, gut verständliches Formular, in welches ein paar Kreuzchen und Zahlen eingetragen werden müssten, hätte sicherlich niemand mit dem inneren Schweinehund zu kämpfen. Fakt ist aber, dass bei der Bearbeitung der vielseits unbeliebten Erklärung ein gewisser Vorrat an alkoholischen Getränken, Zigaretten und Beruhigungstabletten erforderlich ist, um nicht komplett durchzudrehen. 

Mit notwendigen Utensilien ausgestattet, sitze ich in einem Wust von Ordnern und Papieren vor meinem PC, seufze ein letztes Mal und stürze mich in den Alptraum der Bürokratie. Elster.de: eine Seite, deren Name allein treffender nicht sein kann. Denn ich sehe hier nicht die Abkürzung der ELektronischen STeuerERklärung, sondern den Unheil bringenden, diebischen Vogel, der dreisterweise als Symbol auf der Site verwendet wird. Warum kein Spatz? Ein Pfau? Oder ein Kolibri? Eine Amsel: Achtung! Mühselige Steuererklärung - Elektronisch und langwierig! 
Ein Schluck Wein - und noch einer, damit ich mich nicht eine halbe Stunde allein über Namen ärgere und weiter geht es mit meinem Unheil. Seite 1 ist vergleichsweise einfach. Tatsächlich habe ich meinen Namen, Adresse und Alter, zuständiges Finanzamt und Steuernummer in 10 Minuten ausgefüllt und befeiere die vollendete erste Seite. Bleiben noch 5. Nach und nach tippe ich Zahlen über Zahlen ein; Daten, die ich den Rest den Jahres ignoriere, um nicht in Lethargie zu verfallen. Unsummen an Abzügen und Steuern. Lieber noch ein Glas Wein. Nun kommen irgendwelche Abfragen, die ich letztes Jahr nach der dritten Flasche Wein eingetragen habe. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, was wo eingetragen werden muss - muss da ein Kreuzchen hin? Muss ich das überhaupt ausfüllen? Ich brauche mehr Wein, vielleicht hilft das meiner Erinnerung auf die Sprünge. Ich tippe und fülle aus, klicke hier und da, unzählige Formulare fliegen vor meinen Augen dahin. 

Ich möchte das nicht ausfüllen! Ich möchte mich mit dem Thema auch nicht auseinandersetzen! Abgesehen davon, dass die Steuern ein fürchterlich staubtrockenes Thema sind (darauf einen Wein zum Befeuchten), blicke ich auch bei den verkomplizierten Hilfetexten nicht mehr durch, es ist unfassbar viel zu lesen - kann man das nicht in Comic-Form gestalten? Oder eine Option "Steuererklärung für Dummies" hinzufügen? Mit Bildern, Pfeilen und vereinfachter Sprache - für den schon angetrunkenen Steuererklärer? 

Elster! Ich sitze in meinem eigenen Unheil: immer wieder poppt eine Fehlermeldung über eine Eintragung auf, die letztes Jahr noch Sinn ergeben hat. Ich trage nach und nach die Zahlen 1 - 10.000 ein - nicht, weil es Sinn ergibt, sondern weil ich völlig ratlos bin. Der Hilfetext verschwimmt langsam ohnehin vor meinen Augen. Ich überspringe die Fehlermeldung, wühle mich durch weitere Ordner und Zettel, mein Wohnzimmer gleicht einem Schlachtfeld aus Steuererklärungsunterlagen. Ich sollte noch ein Glas Wein trinken. Angesäuselt veranstalte ich gegen die nächste Fehlermeldung ein Wettklicken, Erscheinen - Überspringen - Überspringen nicht möglich - Erscheinen - Überspringen - Überspringen nicht möglich... Nach einer halben Stunde verlässt mich mein Humor, ich versuche, den verschwommenen Hilfetext zu entziffern und zu verstehen. Ganz unten steht endlich etwas, was mir helfen könnte und kurz bevor ich wutschaumverschmiert den PC durch´s Zimmer pfeffer, gibt die Fehlermeldung meine Steuererklärung frei. Ich springe durch´s Zimmer, als hätte ich einem Drachen den Kopf abgeschlagen. Besiegt! Miststück! Und suuur Feiiiierrr ein Stüpschen Wein! 

Ich erreiche das letzte Formular - schnell speichern und den letzten Klick setzen. Plausibilitätsprüfung. 5 Fehlermeldungen. Mutlos klicke ich mich nach und nach durch die Fehler, die für mich - so verschwommen sie auch mittlerweile sind - absolut nicht plausibel erscheinen. Muss alles so stimmen! Ignorieren! Steuerberechnung. 5000 € Nachzahlung. Ohnmächtig breche ich zusammen. 

Nach einer Stunde erwache ich mit Ordnerabdrücken auf der Stirn und halbwegs ausgenüchtert. Also noch einmal. Ich klicke mich durch alle Möglichkeiten und siehe da - es fehlte ein Klick und eine Zahl. Das Ergebnis ist nicht mehr ganz so schweißtreibend, aber die Elster hat ihrem Namen wieder alle Ehre gemacht. Jetzt nur noch drucken und absenden. Fehlermeldungen, wo man hinschaut, kein Druck möglich und eine .exe hat ein Problem. 

Verzweifelt trinke ich meine letzte Flasche Wein! Verfluchte Elster! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen