Montag, 16. Juli 2012

Von Vegetarierern und anderen Schwierigkeiten

"Woran erkennst du einen Vegetarier?" "Er wird sich sofort zu erkennen geben und eine Diskussion über´s Essen anfangen" 

Nun, ganz so überspitzt würde ich das nicht sagen, es gibt durchaus Vegetarier, die nicht mit ihrem Essverhalten hausieren gehen. Ich würde gern dasselbe von Veganern behaupten, kann ich aber nicht, da ich niemanden kenne, der sich von allen Tierprodukten distanziert hat. Vielleicht aus gutem Grund. 

Ich bin kein Vegetarier. 
Wer mich schon kennt, weiß, dass es mir egal ist, wie andere leben - oder in diesem Fall essen - sofern sie mich nicht einschränken. Oder verspeisen wollen. Aber ich schweife ab. 

Nun bin ich schon absolut ruhigen Vegetarierern begegnet, die grundsätzlich kein Fleisch mögen. Weil es ihnen nicht schmeckt. Das sind die ruhigsten Zeitgenossen. Sie machen dir im besten Fall noch ein Schnitzel und essen ihre gekochten Tomaten. 

Dann gibt es Vegetarier, die aus einer Überzeugung (z. B. auch religiöse Gründe) heraus nur ihren Frieden darin finden, kein Fleisch zu essen, dir aber nicht dein Rumpsteak auf dem Teller madig machen. Man lebt und isst in Frieden nebeneinander her. Gelegentlich findet ein friedvoller Gedankenaustausch statt, der von beiden Seiten mit Interesse bekundet wird, aber zu keinem Ergebnis führt. 

Und es gibt die extremen Vegetarier. Die die Meinung vertreten, niemand dürfte Fleisch essen und wir müssten alle der Fleischeslust entsagen. Bei jedem - doch sehr herzhaften - Bissen des Schnitzels wird verächtlich geschnaubt, meist mit dem Satz "das arme Kalb musste so unendlich leiden, wie kannst du nur?!?" Im schlimmsten Fall kramt der Vegetarier ein Päckchen Tofu-Irgendwas aus der Tasche. Hält es mir unter die Nase mit den Worten "schmeckt genauso gut!". Und dann geht wieder die leidige Diskussion los. Mir vergeht der Hunger, beide sitzen mit vergrämten Blick am Tisch, der eine will kein Tofu probieren und der andere ist angeekelt vom Anblick des Fleisches. Man geht nie wieder miteinander essen. 

Ich würde mich nicht als starrsinnig bezeichnen. Ich versuche durchaus, mir die Meinung meines Gegenübers objektiv anzuhören. Und ich verstehe den Gedanken dahinter: es ist abartig und pervers, die Art und Weise, wie Menschen die Tiere in der Massentierhaltung behandeln - man kann durchaus von Folter sprechen. Und so löblich finde ich es auch, dass es Menschen gibt, die in dieser Hinsicht Aufklärung betreiben und von diesem Verhalten Abstand nehmen. Nun kann aber eben nicht jeder sein Bio-Fleisch kaufen, das gleich mal doppelt so teuer ist, und weiterhin möchte ich noch eins zu bedenken geben: "BIO" ist kein geschützter Begriff. Wenn ich mich also dazu bereit erklären würde, ab sofort nur noch Bio-Fleisch zu kaufen, kann mir niemand garantieren, dass die Kühe tatsächlich so glücklich sind, wie man mir weiß zu machen versucht. Man sieht es dem Fleisch ja auch nicht an, ob es sich jetzt um eine glückliche oder todtraurige leidene Kuh gehandelt hat. Sollte man gesetzlich veranlassen. Vielleicht könnte - ähnlich wie auf Zigarettenschachteln - ein Warnhinweis stehen: "Achtung! Dieses Fleisch führt zu Antiobiotikavergiftungen." oder "Achtung! Sie essen gerade eins der unglücklichsten Schweine aus unserem Haus!" Aber: dann würde die Nachfrage sinken und das Fleisch würde teurer werden und der Deutsche würde protestieren (natürlich nicht nach außen hin, hier wird ja nur untereinander gemurmelt). Und dann würden die, die nicht genug Geld haben, nochmehr Tiefkühlpizzen und Fertigsuppen kaufen und wir würden auch nicht in die richtige Richtung gehen. 

So, dies fairerweise zu den Beweggründen des Extrem-Vegetariers, die nicht durch und durch verkehrt sind. Nun sind wir Menschen aber Omnivore (=Allesfresser) und bis heute ranken sich Mythen darum, dass wir nur wegen des Fleisches eine so intelligente Spezies geworden sind. Was ich gewissermaßen mit Vorsicht behandele. Wenn dem so wäre, hätten Katzen bereits die Weltherrschaft an sich gerissen..


Fleisch schmeckt den meisten von uns und es enthält wertvolle Proteine, die wir ohne das Fleisch nur mühsam und umständlich aufnehmen würden. Dafür sind wir allerdings zu bequem... und mal ehrlich: wer möchte auf den leckeren saftigen Burger verzichten geschweige denn, darüber nachdenken, was da drin ist?! 

Wir sind doch eher ein Homer Simpson, der sich den Genuss des leckeren (und sei es noch so fettigen) Essens nicht verderben lassen möchte und dem beim Gedanken an ein gutes Essen das Wasser im Munde zusammenläuft bzw. aus dem Munde läuft. 

Ein ewiges Für und Wider. Ich werde auf jeden Fall kein Tofu probieren und sollte sich wieder jemand erdreisten, mir das während des Essens unter die Nase zu halten, werde ich eine Bratwurst aus der Tasche zaubern und ebenfalls damit rumwedeln. Oder ich werde nächstes Mal "Spiel mir das Lied vom Tod" summen, wenn der Extrem-Vegetarier in seine Möhre beißt. Aus Mitleid den Pflanzen gegenüber! Fructarier sind in dieser Hinsicht übrigens äußert konsequent, fast schon bewunderswert, wie viele Gedanken man sich über das Essen und seine Todesqualen machen kann.   

Es ist unfassbar, in welche Richtungen sich unsere Esskulturen entwickeln, mehr, reichhaltiger, ausgefallener. In vielen Teilen Deutschlands boomt mittlerweile die Erlebnisgastronomie, in der es nicht außergewöhnlich und abwechslungsreich genug zugehen kann. Man geht nicht essen, man geht "erleben"! Im Dunkeln, im Liegen, im Stehen, bei einem Theaterstück, auf einer Ritterburg. Essbare Blumen, Wachteln, Fischeier (ich schreibe bewusst nicht Kaviar), Känguruh, Krokodil, gebratene Heuschrecken. Kurz gesagt: alles, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, wird aufregend garniert und verfüttert. Genau genommen wäre es auf den Bäumen auch nicht sicher. 
Mittlerweile sind die meisten gelangweilt, wenn sie in ein gutbürgerliches Restaurant gehen. Keine Unterhaltung und biedere Bratkartoffeln! Das kann man auch zu Hause. Vor dem Fernseher. 
Und reichlich muss es sein! Mehr als genug. Man möchte ja nicht halb verhungert das Erlebnisevent verlassen. XXL und davon die doppelte Portion, damit man nach dem Vertilgen der Speise regungslos und wie ein Fisch nach Luft schnappend auf dem Stuhl sitzt und nicht mal das Verdauungsschnäpschen in den Magen passt. Wir werden den Amerikanern in dieser Hinsicht immer ähnlicher. In Teilen Deutschlands. Es gibt tatsächlich auch kleine Flecken hier und dort, die dem Futtererlebnis ein Schnippchen schlagen und gemütlich in ihrem kleinen Restaurants vor dem hausgemachten Schnitzel sitzen und genießen. Die vielleicht verstehen, dass während wir im Überfluss schwelgen, Essen verschmähen oder ganze Mahlzeiten wegwerfen, es auf der Welt Menschen gibt, die für ein Stück Fleisch ihr letztes Hemd geben würden. 



Und könnte uns der Höhlenmensch sehen, er würde kopfschüttelnd Bärenfell zurechtzupfen und mit Genuss in seine selbst erlegte Beute beißen. Am Feuer. Ohne Fernsehen. Und ohne Erlebnisdinner.  

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