Donnerstag, 28. Juni 2012

Slow-Food im Test

Mit erstauntem Blick begutachtete ich das blasse und ausgemergelte Kerlchen, das mir ein Silbertablett mit Gänseblümchen und Löwenzahn unter die Nase hielt! "Davon kann man gut leben, es ist nahrhaft und gesund. Ich ernähre mich schon seit 10 Jahren davon!" schalmeite es mir entgegen. Ich bin zu gut erzogen, um ihm zu sagen, dass er wirklich nicht gesund aussähe und ich mir ein wenig Sorgen mache, ob er den morgigen Tag (es sollte stürmisch werden) überhaupt noch erleben würde. Ich lehnte dankend ab und eilte weiter.

Slow Food. Gesund essen. Natürlich. Bio. Ich bin bereits kurz in meinem Raucherblogpost darauf eingegangen, jedoch ist dies ein derart weitläufiges Thema, dem ich mich gern noch einmal widmen möchte.

Da ich ja vorerst offen für nahezu jedes Thema bin, habe ich mich - als bekennender Fast-Food-Junkie - überreden lassen, auf eine Slow-Food-Messe zu gehen, um zu lernen, wie man sich heutzutage ernährt.

Stand Nr. 1: Gesunde Ernährung besteht weitestgehend aus Ölen. Was auch immer man pressen kann, wird gepresst und zu Ölen verarbeitet. Und die muss man immer zum Essen reichen. Und zwar alle. Wegen der Abwechslung.

Stand Nr. 2: Wein aus der Region. (Un)glücklicherweise der zweite Stand auf der Messe. Ich kann mich zwischen Weiß- und Rotwein nicht entscheiden, probiere mal hiervon, davon, Barriquefass, Stahlfass... und zum Neuuutralisiiiieren noch den Rhoseeewein.

Stand Nr. 3: ist irgendwas mit Käse aus eigener Herstellung, Büffelmozzarella und Höhlenkäse, müffelt fürchterlich, ist aber geschickt platziert neben

Stand Nr. 4: der Bioschokolade. Schmeckt nach Käse.

Stand Nr. 5: ist wieder ein Weinstand, ich probiere wieder alles, Zeit für

Stand Nr. 6: Fleisch aus eigener Herstellung. Herzhafte Wildschweinsalami, Schinkenspeck und sonstige Fleischeslust. Ich greife herzhaft zu, um den Alkoholpegel wieder zu senken.

Stand Nr. 7: frisch gebackene Brote mit einer neuen Bio-Kaffee-Sorte. Auch zum Probieren.

Kurz bevor ich Stand Nr. 8 erreiche, hat sich der Wein-Schokoladen-Käse-Fleisch-Kaffeemix durch die schützende Kürbiskern-Leinsamen-Ölschicht gefressen. Ich laufe panisch aus der Halle, vorbei an einem Stutenmilchstand (??)... Egal, welche ungesunde Fast-Food-Ration ich bisher in mich hineingestopft habe, so ein gesundes Durcheinander überfordert meine inneren Organe offensichtlich.

Nichtsdestotrotz ist es natürlich schön, den Menschen zu zeigen, dass man Lebensmittel nicht abgepackt aus dem Supermarkt kaufen muss, sondern gerne auch aus der Region. Beherzigt wird es nur selten. "Bio" ist leider einfach viel zu teuer und grade die Menschen, die wenig Geld haben, sind nicht in der finanziellen Lage, Bio zu kaufen. Man braucht ja auch noch reichlich Zigaretten - und Alkohol. Da wird ja schon eingespart mit den Eigenmarken der Läden. Dann muss das Kind heute eben eine Tütensuppe essen, man hat doch auch wenig Zeit, bei "Mitten im Leben" hat RTL wieder eine spannende Geschichte konstruiert, die so fesselnd ist, dass sich heute auch das Kind ausnahmsweise ruhig verhält und auf die Mattscheibe glotzt.

Solche Situationen beschreiben die Medien. Traurigerweise ist das allzuoft auch der Fall. Und eines ist unbestreitbar: Bio ist teurer. Und Fakt ist, wir wissen nicht, wieviel "Bio" drin steckt, schließlich handelt es sich um nicht geprüfte Waren. Fleisch ist zum Teil günstiger als Gemüse und so wird gesunde Ernährung heute leider ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann oder das Geld dafür investieren will, wenn man jeden Cent umdrehen muss.

Und schmeckt Fast Food nicht auch verlockend gut? Ein herzhafter Gammelfleisch-Burger oder -Döner, die Currywurst mit Pommes und viel Mayo. Wir leben im Schlaraffenland der Neuzeit, ruinieren damit unseren Cholesterinspiegel. Die Nahrungsmittelfirmen werben doch regelmäßig mit neuen schnell zubereiteten Leckereien, die wir wunderbar in unseren stressigen Alltag integrieren können! Ein Schnitzel für den Toaster! Da gehen Träume in Erfüllung. Stundenlange Nahrungsvorbereitung entfallen und wir haben mehr Zeit, uns den wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Social Networking, Fernsehen, Extrem-couching.

Hurra, der Körper wird es uns danken!

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