Dienstag, 5. Juni 2012

Rauchergebein und keine Biergärten für Nichtraucher

Kaum ein Thema polarisiert seit ca. 10 Jahren mehr, als die Raucherei. Was gut ist, denn so kann ich mich getrost darüber auslassen.

Denken wir an die frühen Jahre des Rauchens, als Nichtraucher verpöhnt waren. Uncool. Außenseiter. Freaks. Heute ist es umgekehrt. An kalten Wintertagen sieht man die immer kleiner werdende Spezies "Raucher" zusammengekuschelt vor den Türen stehen. Frierend.. Und doch glücklich. Und bald tot. Ob erfroren oder zu Tode geraucht, vermag man nicht zu sagen. Drinnen - in der wohligen Wärme - sitzen die Nichtraucher. Weniger glücklich. Denn jetzt, wo die Raucher nicht mehr drinnen ihrer Sucht frönen dürfen, sitzen sie allein dort. Wartend - und irgendwie doch neidisch nach draußen schauend. Das kleine frierende Grüppchen... hat Spaß! Verdammt! Da wettert man jahrelang gegen das Rauchen und nun müssen sie schon frieren und leiden, warum haben sie denn noch Freude daran?

Lautes Gelächter dringt von draußen herein. Ein Nichtraucher steht todesmutig auf, langsam, den Blick gesenkt, zieht seine Jacke an und geht raus. Zu dem Feind. Zu den Rauchern. Ein scheues "Hallo". Und er wird freundlich empfangen, der Verräter. 5 Minuten später noch größeres Gelächter, die nächste Zigarettenrunde wird eingeläutet. Die nächsten rappeln sich zaghaft auf; immer mehr Nichtraucher gehen raus. Eng aneindergeschmiegt wird die Party nach draußen verlegt. Drinnen herrscht Leere. Mittlerweile eine alltägliche Situation.
Rauchfreiheit: was in Restaurants positiv auffällt, geht Kneipeninhabern an die Existenz. Eigentlich sollte sich doch eine Lösung finden, die niemandem schadet. Die großen Kneipen und Bars teilen die Bereiche, aber was ist mit der kleinen Eckkneipe gegenüber? 20 Mann passen hinein, wenn überhaupt. Meistens sind es Stammgäste. Alle Raucher. Teilen kann man den Raum nicht. Der Wirt schließt ein letztes Mal seine Kneipe ab. Für immer. Wegen Zigaretten, kleinen, giftigen Glühstängelchen.

Wir rauchen, weil wir, wie viele andere Gattungen auch, eine suchtgefährdete Spezies sind. Und egal, wieviel Intellekt wir besitzen (genug um zu wissen, wie schädlich Rauchen ist), nehmen Menschen diese Droge zu sich. Sterben daran. Leiden an den Folgen. Und doch werden Raucher nicht aussterben. Denn der Mensch braucht seine Droge. Alkohol, Rauchen, Zucker. In dieser Hinsicht sind wir unter anderem dem Koala-Bär ähnlich. Auch er frisst die Eucalyptusblätter, die ihm auch als wertvolle Nahrung dienen, letztlich würden Sie keinen Koala-Bären für einen Apfel oder eine Banane begeistern können. Davon würde er weniger Durchfall haben, aber er wäre auch nicht so betüddelt, wie bei seiner Eucalyptuspflanze.
Aber würde jemand Eucalyptuspflanzen mit abschreckenden, sterbenden Koalabären oder warnenden Sprüchen über die Koala-Potenz versehen, vorausgesetzt, ein Koalabär würde dies verstehen, er würde es trotzdem nicht lassen. Der niedere Instinkt, einer unserer Urinstinkte, der auch Tieren innewohnt, lässt das Verlangen nach berauschenden Mitteln nicht abklingen. Selbst Völker, die weitab jedweder Ziviliation sind, haben ihre Möglichkeiten, sich zu betäuben. Ob sie sich in Trance tanzen, spezielle Pflanzen rauchen... die Wahrnehmung verändern, das gibt es überall.

Nun werden viele Raucher weiterhin Tag für Tag ihre Sargnägel verpaffen und kaum etwas wird sie davon abhalten können. Haben Sie Leute in ihrem Umfeld erlebt, die gleichzeitig nicht rauchen, keinen Alkohol trinken und auf Diät sind? Wahrscheinlich eher weniger, denn diese Leute verbreiten meist ziemlich schlechte Laune. Die anderen sind die Genießer: Ob gutes Essen, einen guten Wein und dazu eine Zigarette, eine Zigarre oder eine Pfeife. All das sind Genußgüter, einzeln, zusammen, wie es jedem beliebt. Und das sind Leute, die sich Zeit für etwas nehmen. Die die kurzen Momente der Entspannung nutzen. Allerdings ist der Genuss des Einen auch der Ekel des anderen. Abgestandener, kalter Rauchgeruch in den Haaren und dem schicken Anzug, brennende Augen und Schnappatmung sind für Nichtraucher und sogar für manchen Raucher kein Kindergeburtstag. Wer jemals in einem Raucherabteil der Deutschen Bahn gesessen hat, ist geimpft. Egal, ob Raucher oder Nichtraucher.

Beschönigen müssen wir gar nichts. Obgleich jeder auf seine Art genießt, beeinträchtigt  niemand annähernd die Umgebung so extrem wie ein Raucher. Dass ein schickes Essen nicht in Nebelschwaden versinken sollte, ist absolut indiskutabel.

Heute gilt vor allem eines: ein gesunder Lebensstil: Gesunde Ernährung, kein Alkohol, keine Drogen, keine Zigaretten, Yoga, Fußeinlagen, Nasenduschen, Ingwertee. Wir nehmen fast nur Bio zu uns. Das ist der Ausgleich zu dem Stress im Arbeitsalltag, keine 5 Minuten Ruhe. Keine Erholungspausen. Herzinfarkt mit Anfang 40. Aber Nichtraucher. Nichttrinker. Salatesser. Wir versuchen, unser Leben zu verewigen.
Über 100 Jahre alt zu werden. Jopi Heesters zu übertrumpfen. Noch älter werden, noch gesünder leben. Restriktionen ohne Ende. Öle sind gesund, aber nur natives Olivenöl, erste Pressung. Und Salat. Ein bisschen Fisch. Kein dunkles Fleisch. Nüsse. Aber nicht zu viele.
Da isst einer ein Stück Schokolade! Verdammt sei er! So wird der bestimmt nicht alt! Am besten, der erstickt gleich an seinem Genuss!

Raucher leben nicht länger und schon gar nicht gesund, aber irgendwie rotten sie sich zusammen und.. haben Freude an ihrem noch so kurzen Dasein. Sie verzichten nicht auf Teufel-komm-raus auf etwas, sondern gestalten ihr Leben nach ihrer Wahl. Und sie finden IMMER zu einander. Sie bilden kleine kommunikative Ecken, haben sich etwas zu erzählen, etwas zu lachen. Ja, sie sind schon ein kommunikatives Völkchen, ein bisschen müffelnd und meist etwas verlebt aussehend, aber irgendwie auch liebenswert.

Nicht jeder Raucher wohnt in einer vergilbten Wohnung, in der die Fenster nur alle 3 Monate geöffnet werden, um ein paar Rauchschwaden in die Freiheit zu lassen.

Es wird keine Toleranz zwischen beiden Gruppen geben. Und die Politiker können noch so häßliche Bilder oder Warnungen auf die Zigarettenschachteln drucken lassen. Es wird immer Raucher geben. Die bringen Steuern. Die eine Partei qualmt die andere nicht mehr zu, steht aber draußen und hat mehr Spaß im Leben. Dafür lebt die andere Partei länger. Fang an, über dieses Thema in einer Bar zu sprechen und du kommst die nächsten 5 Stunden nicht heim.

Militante Ex-Raucher. Früher geraucht, heute verachtend für das vor sich hinräuchernde Wesen. Sie starten die besten Hetzkampagnen gegen jeden einzelnen Raucher. Jede Zigarette wird kommentiert. Abfällig. Damit jeder mitbekommt, dass hier ein EX-RAUCHER steht, der es geschafft hat, sich von der Sucht zu lösen. Aufzuhören ist gut, und solange sie das mit viel Respekt und einem bewundernden Ton dem Ex-Raucher immer wieder sagen, wird er lächeln. Nichtraucher sind gute Menschen, Raucher aber auch. Raucher verpesten dank des Nichtraucherschutzgesetzes nicht mehr den Lebensraum der Nichtraucher und man könnte meinen, alle wären jetzt glücklich. Nein, weit gefehlt.

Ich schätze, das Thema "Rauchen am Arbeitsplatz" teilt jetzt endgültig alle Meinungen. Rauchverbot auf dem Firmengelände? Raucherräume? Ich amüsiere mich stets über die Raucher, die vor Gesundheitsgebäuden stehen. Vor Krankenkassen, Krankenhäusern. Das ist schon paradox. Aber deswegen gleich ein Rauchverbot auf dem Firmengelände zu verhängen, ist ein wenig hart, oder?
Ein- und Ausstempeln für´s Rauchen? Arbeiten Raucher überhaupt produktiv? Oder arbeiten sie sogar produktiver, weil sie nach einer kurzen 5 Minuten-Pause konzentrierter an die Arbeit gehen? Was ist mit Nichtrauchern, die eine halbe Stunde täglich auf dem Klo sitzen und während des Geschäftchens mit ihrem Smartphone rumspielen? Ist das jetzt Vergnügen oder Notdurft?


Aber wenn wir mit den Rauchern durch sind, dann kommt der Alkohol. Wenn wir mit dem Alkohol durch sind, dann werden es die Süßigkeiten. Dann das dunkle Fleisch. Und irgendwann sind wir eine nur-noch-wassersaufende-und salatfressende Spezies. Unglücklich. Aber wir werden vielleicht - so Gott will - alle älter als Jopi Heesters. Das können die Krankenkassen natürlich nicht mehr abfangen, deswegen werden wir in Altenheimen vor uns hinsiechen. Aber: wir werden steinalt. Und trotzdem krank. Haltet euch fest: wir sterben trotzdem! Wir werden nicht ewig leben und schon gar nicht ewig jung bleiben. Wir schließen ein paar Krankheiten aus, dafür kommen neue dazu. In den letzten 10 Jahren sind wieder etliche neue Krankheiten hinzugekommen (oder etwas hat einen neuen Namen), da fragt man sich fast, was aus der guten alten Erkältung geworden ist.

Diskussionen, dass Raucher mehr Krankenkassenbeiträge zu zahlen haben. Echt jetzt? Wollen wir aufwiegeln, wie gesund jeder einzelne von uns lebt? Dass der, der dafür mehr Süßigkeiten und Cola vertilgt (in immensen Portionen), ständig auf dem Zahnarztstuhl thront, redet niemand? Kaputtgesoffene Lebern von Alkoholikern, Entzugskosten für Drogenabhängige, Extremsportler. Hey, bist du grad OHNE Zeckenschutz über die Wiese gelaufen?? Sofortige Strafzahlung!  .. Muss das noch weiter ausgeführt werden?

Und ja, wir sollten unser Leben lieb halten! Rauchen kann erhebliche Schäden im Körper anrichten, Krebs, Asthma, COPD, Herzkrankheiten und vieles mehr. Man nimmt ein Gift zu sich, das über die Jahre dem Körper schadet .
Wir sollten mit einem Respekt unserem und anderen Körpern gegenübertreten. Alles in Maßen, nichts übertreiben, weder Stress noch Genußmittel, dann dürfte es sich für alle ganz gut Leben.
Ein Allheilmittel ist das nicht, gesund leben aber leider auch nicht immer.


3 Kommentare:

  1. Wunderbarer Text, Kompliment! Ja, ich rauche - in Maßen, ich trinke Alkohol, vielleicht manchmal etwas zu viel. Aber ich genieße es und fühle mich gut dabei, möchte es nicht missen. Gerade die kommunikative Komponente des Rauchens ist nicht zu unterschätzen, in unserer Firma müssen wir zum Glück noch nicht vor die Tür. Und ja, irgendwann geht für jeden das Licht aus, ob mit 100 oder früher, und ist es dann nicht schön, wenn man rückblickend sagen kann: Ich hatte Spaß am Leben?

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    1. Vielen herzlichen Dank für das tolle Kompliment und den Zuspruch! Freut mich sehr.

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  2. sehr schöner Text, die anfangspassage hat mich sehr amüsiert, zum tot lachen :D

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